„Uns drohen stumme Sommer“, warnt Erich Wiedemann aus Wittislingen, seines Zeichens Hobbyimker und Kreisvorsitzender der Bienenzüchter im Landkreis Dillingen. Der Zusammenhang erschließt sich erst auf den zweiten Blick, denn der von ihm beklagte Rückgang der Blüten tragenden Pflanzen betrifft nicht nur die Bienen, sondern alle Blüten aufsuchende Insekten und damit auch die Vogelwelt unserer Heimat. Die Bienen hungern. Zwar ist die Situation bei uns in den Dörfern noch am erträglichsten und insofern sind die vielen prächtigen Hausgärten im Schwäbischen ein echter Segen, doch generell geht das Problem auch an unserer Heimat nicht vorbei.
Hungrig zurück von der Nahrungssuche
Durch den regenreichen Sommer sind heuer die meisten Wiesen grün, die Maisäcker über drei Meter hoch, die Zuckerrüben haben einen wunderbaren Wuchs und die Bäume sind noch voll im grünen Laub. In der Natur aber fehlen bunte Blumen oder blühende Pflanzen.
Die Honigbienen, die jetzt ein Wintervolk aufbauen müssen, suchen gierig auf den Sonnenblumen nach Nektar und Pollen. Sie werden zwar von der gelben Farbe der Blüten angelockt, aber enttäuscht. Fast jeder Quadratmeter der landwirtschaftlichen Flächen wird heute für Getreide, Hackfrüchte und natürlich Mais, der Pflanze zur Biomasse-Erzeugung, genutzt.
Die Bienen kehren hungrig zu ihrem Volk zurück, die Brut wird nicht ausreichend versorgt und die Vitalität der Bienen leidet. „Heuer ist es besonders dramatisch, denn auch der Wald honigte nicht. Der Fruchtzucker der Honigtau-Erzeuger konnte weder von den Waldameisen noch von der Honigbiene im sonst üblichen Rahmen geerntet werden“, sagt Erich Wiedemann. In Wittislingen sei die Lage schon seit zehn Jahren schlecht, im benachbarten Liezheimer Forst dagegen noch relativ gut.
Deshalb wird auch die Honigernte 2009 unterdurchschnittlich ausfallen. Wiedemann mit seinen mehr als 60 Völkern hat als Teilnehmer am Varoa-Toleranz- und Königinnen-Tauschprogramm im Schnitt 25 Kilogramm Honig pro Volk als Ertrag. Heuer sind es nur 15 Kilo. Seit Juni muss bereits mit Zuckerwasser zugefüttert werden.
Hoher ökonomischer Wert auf der gesamten Welt
80 Prozent der Pflanzen sind auf Insektenbestäubung angewiesen und 80 Prozent davon benötigen die Honigbiene. Weniger Honigbienen bedeuten landwirtschaftliche Ertragsverluste und Verluste in der Biodiversität. Für die Bestäubung von Wild- und Kulturpflanzen spielt die Honigbiene eine entscheidende Rolle. Der ökonomische Wert der Bestäubung wird weltweit auf jährlich 30 bis 60 Milliarden Euro geschätzt.
Ein Phänomen hat Wiedemann bereits registriert. Zwar sinkt die Zahl der Völker kontinuierlich, doch die Anzahl der Imker steigt, denn immer mehr Naturfreunde stellen im Garten eine „Bienenkiste“ auf, um die Bestäubung in der Umgebung sicherzustellen. Dabei ist Bayern was die Versorgung mit Honigbienen betrifft ganz vorne dabei. Erich Wiedemann nennt Zahlen: Bayernweit gibt es 4,3 Völker pro Quadratkilometer, in Norddeutschland nur zwei.
Und im Landkreis Dillingen? Da sind es stolze zehn Völker auf den Quadratkilometer. Dagegen werden heute schon im Hamburger Obstland zahlreiche Imker nur fürs Bestäuben der Bäume bezahlt.
Quelle: Augsburger Allgemeine, 17. August 2009
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